Nach reiflicher Ueberlegung
Das gesamte Spiel mit dem fremden Dom vom vergangenen Wochenende wirkt in mir nach, die Gedanken strömen. Das "Ich bin eine schwanzgeile Schlampe" bohrt tief in meinem Gemüt.
Ich bin ja kein Sub-Neuling, teile seit eineinhalb Jahren eine BDSM-Beziehung mit dem Tiger-Dom. Dieser hat mit mir zusammen, zu Beginn unseres Kontext im Sommer 2019, die Tabus und No-Go's klar definiert. Gewisse Grenzen dürfen und sollen nach und nach auch überschritten werden. Zu den unumstösslichen Verboten gehören:
- derbe
verbale Erniedrigung
- Zigaretten- und Tabakgeruch
- Gossensprache
- anspucken
- ins Gesicht schlagen
- Hartes Brustbondage
- Harte Brustmassage
- jegliches Spiel mit Kälte (Kalte Räume, kaltes Wasser, etc.)
Alles, was wir in diese Liste genommen haben, sind Punkte, die meinen Körper (z.B. schmerzende Zysten in der Brust) oder meine Seele nachhaltig verletzen. Die anderen Spielarten soll ein Dom nach seinem Ermessen einsetzen, wobei er so viel Empathie und Feingefühl besitzen muss, um die Grenzen zu spüren. Die Sub hat zur Not ihre Code-Wörter.
Das Thema Dirty-Talk ist uns beiden ein wichtiges Anliegen. Der Tiger-Dom und ich sind in Umfeldern aufgewachsen, in der massive, verbale Uebergriffe oft vorkamen und sogar zum Alltag gehörten. Aus diesem Grund haben wir es aus unserer gesamten Sexualität ausgeschlossen. Für die härtere Gangart eines BDSM sogar explizit bei den Verboten aufgeführt.
Nun verbringe ich grübelnd viele Stunden, sogar Tage mit der Verarbeitung des Spiels, das ich mit dem Tausch-Dom erlebt habe. Das Treffen fand ohne irgendwelche Absprachen ab. Nachdem ich mich sortiert habe, schreibe ich ihm angemessen ein Feedback. Ich erkläre, was in mir vorgegangen ist, wie ich mich gefühlt habe und mache ihn auf meine No-Go's aufmerksam. Die verletzenden Worte habe ich nur nachgesprochen, weil ich sehr tief im Sub-Modus war und ein immenser Druck von seiner Seite bestand. Er antwortet, die Sub habe richtig gehandelt. Ich antworte, dass es extrem verletzend war und immer noch ist. Es entsteht eine Diskussion.
Als erstes erläutert er mir, dass es kein falsches und richtiges BDSM gibt. Dem stimme ich vollkommen zu. Als nächsten Schritt erklärt er mir ausführlich woher das Wort "Schlampe" oder im englischen "Bitch" ursprünglich kommt, dass es damals keine schlimme Bedeutung hatte. Da ich mich nicht im Submodus befinde, argumentiere ich frisch darauf los:
- Worte besitzen immer eine Bedeutung, eine Assoziation, besonders in einem so psychologischen Spiel, wie das BDSM
- In Bezug auf meinen Körper habe ich ein grosses Wissen und spürbare Achtsamkeit in den Handlungen des fremden Doms wahrgenommen. Trotz der ungewohnten Forderungen war das Vertrauen tief. Wieso wird nicht die gleiche Achtsamkeit auf die Seele gelegt?
- Wenn eine Sub ein Tabu hat, wieso nimmt sich der führende Part das Recht, dieses Tabu zu missachten?
- Für mich ist es egal, was das Wort Schlampe im Ursprung bedeutet, für mich ist es relevant, was "schwanzgeile Schlampe" in diesem Moment aussagt. Eine schlampige Arbeit ist das letzte, ein schlampiges Auftreten ist dreckig.
Ich erhalte auf meine Einwände eine ausführliche Antwort:
"Das Sub-sein definiert sich auch dadurch, dass man Dinge tut, die man sonst nicht täte, für die man sich sogar normalerweise schämen würde. dies einfach deswegen, weil sie dem Dom gefallen. oder anders ausgedrückt: die Wünsche des Doms zählen, die Unterordnung ist komplett (mit Safeword abgesichert).
nun spürt man jedoch, dass du Bedingungen "stellst".... (z. b. keine erniedrigenden Worte)...
Damit beginnst du das Spiel und den Dom damit zu beeinflussen. Es riecht für mich so ein bisschen nach: die Kontrolle nicht ganz aufgeben... (Angst?). Damit ziehst du aber eher die Wunschzetteldoms an... ob du das wirklich willst?
Könnte es sein, dass dies u.a. auch ein Stolperstein ist, warum es im Spiel mit dem eigenen Partner dann nicht klappt? Oder anders ausgedrückt: das Rollenspiel ist nicht komplett... im Alltag dominant, im Spiel submissiv... irgendwie kommt da der Dreh rüber, dass du einen Teil des Alltags auch mit in die Rolle nimmst.
Ein Dom, der gut mit dir umgeht, wird spüren, was er tut, womit er dich trifft. Ist es ein Sadist, wird er es tun und du wirst neu entscheiden ob es ein Spiel ist, das du so willst. Ist er sensibel, wird er durch die Vorbehalte eher "gelangweilt", weil er spürt, dass du nicht ganz in die Rolle gehst.
Da dies immer ein Rollenspiel ist, würde es eben eigentlich für beide gelten...
der Dom ist ja im realen Leben auch nicht der Schläger, der Frauen verdrischt, der Frauenbeleidiger... und: er sollte sich ja auch keine Gedanken zum Bild machen, das er gerade präsentiert, sondern es eben spielen... und: je besser die Rolle, umso authentischer wird er wahrgenommen.
Im Gegenzug: so bist du im realen Leben genauso wenig eine "Schlampe", die sich dem billigsten Sex hingibt, sondern erfüllst dem Dom seinen Wunsch, wenn er möchte, dass du dich so betitelst...
genauso, wie du davon ausgehst, dass er deinen Wunsch nach Unterwerfung erfüllt.
ich hoffe, du verstehst was ich damit meine."
Ich bedanke mich herzlich für die ehrliche Antwort und bitte um Bedenkzeit. Mein Hirn arbeitet im Brainstorming, ich suche das Gespräch mit meinem Mann. Gemeinsam lesen wir den schriftlichen Austausch, diskutieren die Angelegenheit und ich will ganz klar seinen Standpunkt als Dom erfahren. Ich suche auch den Kontakt zu meinem Tigerdom und frage nach seiner Meinung.
Schlussendlich verfasse ich ein Schreiben, der unser gemeinsames Empfinden als Swinger, wie als Dom und Sub zum Ausdruck bringt.
"Der Kontext (Verbote - Gebote) ist aus unseren Erfahrungen und denen unserer Mitspieler geschrieben worden. Mein Mann und der andere Dom haben sich dazu ganz klar geäussert, was sie als Dom für Regeln haben. Ich habe verfasst, aber es sind die Statements der Doms, beinhalten alle Aspekte der Gesundheit von Körper und Seele der Sub.
Grosses Thema: verbale Erniedrigung
Das ist für uns beide ein No-Go!! Da sind mein Mann und ich zu 100% übereinstimmend. Er empfindet es als absoluten Lustkiller, wenn er mit einer Frau in Gossensprache kommunizieren würde. Es reicht schon für uns beide (und auch meinem Dom), wenn wir einem Paar zusehen oder eines neben uns spielt (Swinger oder BDSM), die einander in derben Dirty-Talk anregen oder der Dom seine Sklavin erniedrigt. Da gefriert bei uns die Erotik. Mein Mann akzeptiert auch nicht, dass ich, wenn getauscht wird (Sub oder Swingen), so angesprochen werde.
Er sagt immer, er geniesst Führung und Macht, er liebt es zu spielen, sein kleines Teufelchen auszuleben, aber er will die Gossensprache nicht, um das Machtgefälle zu unterstreichen. Das "Ausgeliefert sein" und "gefesselt sein" einer Sub, dass sie nass wird, wenn er sie schlägt, wenn er sie fordert, das Benutzen... das erregt ihn immens, das findet er geil. Er will als Dom, dass sie niederkniet, auf Befehl alles präsentiert, eine Sub soll ihre Rolle einnehmen und ausleben.
Bei mir ist es nicht Angst, die den derben Dirty-Talk zum No-Go macht. Ich empfinde Wörter tief verletzend! Und noch zur Erklärung: "Schlampe" ist ein Scheisswort!" Mag ich nicht.
Drecksau, Fotze, Deine Ficklöcher, 3-Loch-Stute........ sind verletzend. No-Go für alle Spieler in unserem Umfeld. Eine Frau gibt ihren Körper, ihren Willen, ihre Lust her, im BDSM lässt sie alles los, um dann zu Eis zu erstarren, weil sie so beschimpft wird. Ein No-Go!!
Wenn für euch das kein No-Go ist, dann ist das für euch richtig. Wie wir einstimmig festgestellt haben: Es gibt kein richtiges oder falsches BDSM."
Es folgt noch ein höflicher Austausch, es entsteht keine Missstimmung. Was der Tauschdom ganz klar zum Ausdruck bringt: Er ist kein "Wunschzettel-Dom". Ich merke, das war das letzte Spiel, das wir miteinander geteilt haben. Persönlich finde ich es schade. Trotz der wenigen No-Go's und einer enormen Vielfalt an Spielmöglichkeiten hat er das Gefühl, ein Wunschzettel-Dom zu sein. Ich hege den Verdacht, dass ihn der Dirty-Talk so sehr erregt, dass er darauf nicht verzichten kann und will. Mein Mann sagt mir, dass die andere Sub auf dem Tabu "Küssen" beharrt hat (es gehöre ausschliesslich in ihre Partnerschaft. Niemand Fremdes darf sie küssen). Mein Mann hätte sie als Dom gerne in verschiedenen Momenten geküsst, hat sich aber strikt an das gestellte Tabu gehalten. Ich spotte noch: "Du Wunschzettel-Dom!" Gemeinsam lachen wir über die Situation. Wir sind wieder um eine Erfahrung reicher.